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Alle Jahre wieder

Eintrag vom 25.12.2011:


Hier sitze ich und trotze dem was kommen mag. Wunderschön angezogen, die Finger mit Ringen geschmückt, die Augen goldbraun geschminkt, meine langen Haare zu einem Zopf gebunden, Parfüm aufgelegt. 
Fast perfekt.
Ich habe Angst, furchtbare Angst. 
In wenigen Stunden geht ein Marathon los, der nur aus Essen und Familie besteht.
Essen.Essen.Essen.
Fragen beantworten zum Thema Zukunft, und dabei Essen.
Beobachtet werden beim Essen. Menschen zusehen beim Essen. 
Viel fettiges Weihnachtsessen. Ein Restaurantbesuch, was werde ich wählen?
Einen Salat? Deftige Küche, trotzt nur so vor Fett. Alte Gaststätte, fettiges Essen.
Kaffee und Kuchen. 
Kaffee werde ich in Massen trinken und Kuchen? Verschiedene Torten, Kuchen, Muffins. 
Meine Familie backt gerne und viel. Verdammt viel.
Und lecker. Ich will nicht alles in mich reinstopfen.
Wieder Menschen beim Essen beobachten. Großen Ekel vor dem Anbick verspüren.
Ich stelle mir Tonnen an gekautem Essen vor. Ich fühle mich dreckig.
Ich will duschen. 
Gedanken kreisen um Essen, um Kalorien, um Schwäche. 
Werde ich schwach sein?

Ich habe Angst, furchtbare Angst.
Es ist traurig, dass zu lesen. Zu erkennen, dass sich in diesem ganzen Jahr doch nichts geändert hat. Ich bin immernoch dieselbe, lächerliche von der ES gebrandmarkte Person wie damals. Dieses Jahr ist es fast etwas schlimmer. Ich habe zugenommen seitdem. Es war ein Auf & Ab und gewichtstechnisch in letzter Zeit gerade einfach nur ein "Auf". Ich fühle mich mehr als einfach nur unwohl. Ich kann die Finger kaum von meinem Bauch lassen, ständig kneife ich hinein und zerre daran herum. Die Haut ist schon ganz rot überall. 
Jetzt ein Jahr nach diesem Eintrag, an dem ich fast mein erstes Wunschgewicht erreicht hatte, sitze ich hier und erwarte erneut mit Furcht diesen Marathon. Das gleiche widerliche Essen. Dieselbe anstrengende Umgebung und die immer wiederkehrenden gleichen Fragen zu meiner Zukunft, deren Antworten ich mir jedes Mal aufs Neue erlüge. 
Also werde ich wie jedes Jahr in dieses Lügenkonstukt schlüpfen, ein Lächeln aufsetzen und die starke, selbstbewusste Tochter, Schwester, Enkelin, Nichte spielen,die sie sehen wollen, die sie kennen.


1 Kommentar:

  1. wow, ich fühle mich gerade genauso. Ich habe so viel zugenommen seit letztem Jahr, ich schäme mich richtig. Ich mag es nicht, was dieses Jahr aus mit gemacht hat!

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